Güter und Materialien legen zwischen Lieferanten, Produktionsstätten, Lagern und Kunden unterschiedliche Wege zurück – es bedarf einer umfassenden Planung und Koordination dieser Materialwege. In produzierenden Unternehmen befasst sich die Waren- oder auch Materialwirtschaft mit der Erfassung, Bedarfserhebung und Verteilung bzgl. aller im Umlauf befindlichen Materialien – sowohl direkter als auch indirekter Güter. Betroffen sind alle für die Produktion relevanten Materialien wie zugrundeliegende Roh- und Hilfsstoffe, aber auch Zwischenprodukte bzw. Einzelteile für das Endprodukt. Des Weiteren sind auch Betriebsstoffe oder Ersatzteile, beispielsweise zur Sicherstellung der Funktionalität von Maschinen, zu verwalten. Da in der Produktion auch Abfallstoffe anfallen, regelt die Materialwirtschaft deren Entsorgung und Wiederaufbereitung. Die erstellten Endprodukte sowie eingekaufte Waren für den Handel und Dienstleistungen stehen ebenso im Fokus der Warenwirtschaft.
Im Hinblick auf die zu verwaltenden Objekte beschäftigt sich die Warenwirtschaft mit der Planung und Steuerung des Materialflusses in Abhängigkeit von zeitlichen Faktoren, der mengenmäßigen Bereitstellung, räumlichen Verfügbarkeit und mit qualitativen Aspekten. Hierbei sind zahlreiche Schnittstellen zu benachbarten Unternehmensbereichen wie Logistik, Produktion, Buchhaltung und Controlling vorhanden. Mit Hilfe von ERP-Lösungen (Enterprise Ressource Planning), Warenwirtschaftssystemen (WWS) oder Lagerverwaltungssystemen werden die verwaltungsbezogenen Aufgaben in der Warenwirtschaft praktisch bewerkstelligt.
Warenwirtschaftssysteme helfen bei der Visualisierung der Warenströme und erfüllen je nach Einsatzbereich verschiedene Aufgaben. So werden sie im Verkauf zur Erstellung von Angeboten, Rechnungen, Aufträgen und Lieferdokumenten genutzt und können zudem für den Bereich CRM (Customer Relationship Management) eingesetzt werden, um Kundendaten zu pflegen. Des Weiteren werden im Einkauf die Bedarfsermittlung und Warenbestellung über die WWS abgewickelt. Ein weiterer großer Einsatzbereich ist die Lagerhaltung, die eine Vernetzung mit Daten aus dem Verkauf und Einkauf erfordert – das WWS wird hier durch Softwareelemente für die Lagerverwaltung ergänzt.
Weitere wichtige Schnittstellen bestehen zum Kassenverkauf, zur Buchhaltung, zu E-Commerce-Lösungen bei entsprechenden Online-Shops oder zur Zeiterfassung für Projekte und das Personal. Zu einem geschlossenen Warenwirtschaftssystem gehören Komponenten aus den Bereichen Wareneingang und -ausgang, Disposition und Bestellungen sowie Management- und Marketingmodule. Sind nicht alle diese Bereiche abgedeckt, ist von einem offenen WWS die Rede. Obwohl teilweise auch der Begriff ERP-System statt Warenwirtschaftssystem verwendet wird, muss hier unterschieden werden. Mit zunehmendem Umfang und zusätzlichen integrierten Funktionen, die alle betrieblichen Ressourcen (Personal, Controlling, IT usw.) berücksichtigen, kann nicht mehr von einem reinen Warenwirtschaftssystem gesprochen werden. Hier handelt es sich dann bereits um eine umfassendere ERP-Lösung.
Die Ziele der Warenwirtschaft bestehen darin, den Materialfluss aufrecht zu erhalten, Einsparungsmöglichkeiten zu identifizieren und nutzbar zu machen und auf nachhaltige Weise im Sinne des Umweltschutzes zu wirtschaften. Warenwirtschaftssysteme bieten hier einen entscheidenden Mehrwert für das Unternehmen und die nötige Transparenz über alle Warenflüsse und nutzbaren Kapazitäten.
Um Abläufe in der Warenwirtschaft und Teilbereiche effizienter zu gestalten und vielschichtige Verwaltungsprozesse zu vereinfachen, werden hier mobile Datenerfassungsgeräte (MDE) eingesetzt, die durch die automatisierte Dateneingabe und -weiterverarbeitung eine hohe Flexibilität erlauben und mehr Transparenz ermöglichen.
Lagerverwaltung optimieren durch beleglose Kommissionierung
Im Lager sorgen Mitarbeiter bei der Kommissionierung für die korrekte Zusammenstellung von georderten Objekten oder Einzelteilen, die per Auftrag vom Kunden angefordert werden oder zum Beispiel für die Produktion benötigt werden. Für die Kommissionierer, auch Picker genannt, ist es wichtig, die jeweiligen Güter schnell und unkompliziert aufzufinden und zusammenzustellen. Beim Kommissionieren wird vermehrt auf die beleglose Kommissionierung gesetzt, um den Verwaltungsaufwand zu minimieren. Sie löst die klassische oder konventionelle Kommissionierung ab, bei der Papierlisten mit den zusammenzustellenden Wareneinheiten mitgeführt werden. Verschiedene beleglose Verfahren stehen hier zur Auswahl und erleichtern die Arbeit im Lager teil- oder sogar vollautomatisiert. Bei der Auswahl des richtigen beleglosen Kommissioniersystems kommt es auf die spezifischen Anforderungen des Unternehmens an. Hier ist zu berücksichtigen, um welche Branche es sich handelt, wie die Lagerhaltung organisiert und die Umgebung gestaltet ist.
Pick-by-Scan
mittels mobiler Datenerfassungsgeräte ist beim beleglosen Kommissionieren eine der geläufigsten Methoden. Mobile Datenerfassungsgeräte bieten die Möglichkeit Daten direkt zu erfassen, einzugeben und per Funk zu übermitteln. Funkterminals oder Radio-Frequency-Terminals können ortsungebunden und in Echtzeit Barcodeetiketten und RFID-Labels auslesen, die Informationen speichern und automatisch über WLAN oder GPRS weiterleiten. Sie werden häufig als Handheld-Terminals eingesetzt und bieten eine hohe Genauigkeit in der Erfassung, eine flexible Handhabung, eine bessere Übersicht und reduzieren den Arbeitsaufwand, der durch eine papiergestützte Kommissionierung anfallen würde. Auch für die Navigation von Staplerfahrzeugen im Lager werden intelligente Staplerleitsysteme angeboten, die elektronisch Aufträge an die Staplerfahrzeuge übermitteln und diese durch das Lager navigieren. Dafür ist das Fahrzeug mit einem Staplerterminal ausgerüstet, das über Funk kommuniziert. Andere Verfahren, wie Pick-by-Voice und Pick-by-Light, bieten weitere Vorteile, indem auf die manuelle Dateneingabe verzichtet und stattdessen auf visuell- und sprachgesteuerte Technologien gesetzt wird.
Pick-by-Voice (oder Pick-to-Voice)
steht für ein sprachgesteuertes Verfahren, bei dem der Kommissionierer über Kopfhörer und Mikrofon bzw. Headset, verbunden mit einem Gerät zur mobilen Datenerfassung, seine Aufträge entgegennimmt und ausführt. Hier liegt der Vorteil in der hohen Flexibilität und Ergonomie, da die Mitarbeiter beide Hände frei haben. Gerade bei sehr großen oder schweren Gütern zeigen sich die Vorteile von Pick-by-Voice gegenüber Pick-by-Scan oder Pick-by-Light. Zudem kann die Kommissionierung schneller erfolgen, denn die Dateneingabe erfolgt quasi nebenbei über die Sprache, so dass der Kommissioniervorgang nicht extra unterbrochen werden muss. Zu beachten sind allerdings die Nachteile für die Verwendung in einer besonders lärmintensiven Umgebung – sprachgesteuerte Lösungen können hier nicht störungsfrei eingesetzt werden und sind daher meist ungeeignet.
Pick-by-Light (oder Pick-to-Light)
funktioniert über den Einsatz von elektronischen Fachanzeigen an jedem Lagerplatz. Sobald ein Kommissionierauftrag erstellt wurde und eingeht, werden die Anzeigen an den Lagerfächern mit der entsprechenden Ware aktiviert. Blickfangleuchten erzeugen ein optisches Signal, das den Mitarbeiter zum richtigen Lagerfach führt. Über das dortige Display bekommt er die Informationen über die entsprechenden Güter und deren Anzahl angezeigt und kann nach Abschluss der Entnahme den Vorgang über die Bedienung einer Taste an der Fachanzeige bestätigen und abschließen. Die Fachanzeige wird damit deaktiviert und die Informationen über die entnommenen Waren und deren Anzahl direkt an das Lagerverwaltungs- oder Warenwirtschaftssystem übermittelt. Pick-by-Light ist besonders dann zu empfehlen, wenn die Kommissionierung schnell erfolgen soll und keine großen Güter bewegt werden müssen.Im Bereich Pick-by-Light existieren auch eigenständige Komplettlösungen für das Kommissionieren, bezeichnet als E-Pick. Sie bieten sich für einen kostengünstigen Einstieg an.
Die Verfahren Pick-by-Voice und Pick-by-Light können unterschiedlich integriert oder kombiniert werden. Hierbei können weitere Technologien zum Einsatz kommen oder Varianten genutzt werden, die auf spezifische Anforderungen abgestimmt sind. Radio-Frequency-Picking macht sich den Breitbandfunk für die Kommissionierung zunutze und ermöglicht den funkgesteuerten Datenaustausch zwischen mehreren Datenerfassungsgeräten – ob nun mobil oder stationär – und einem zentralen Datenserver. Pick-to-Tote, oder auch „Ware-zum-Mann-Kommissionierung“, steht für eine Form der Arbeitsplatzgestaltung, die vor allem für die Kommissionierung von Gütern mit geringer Umschlagshäufigkeit – auch als langsam drehende Teile bezeichnet – ausgerichtet ist. Da solche Teile oftmals separat gelagert werden – fernab von den schnell drehenden Waren – fallen meist längere Wegzeiten an. Diese Wegzeiten lassen sich durch die automatisierte Kommissionierung reduzieren. Die Waren gelangen per Fördertechnik zum Kommissionierer, der diese dann entnehmen und direkt in die dafür vorgesehenen Behältnisse verpacken kann. Pick-to-Bucket ist ein ähnliches Verfahren, das allerdings für das schnelle Kommissionieren gedacht ist. Ein Parallel-Picking-System sorgt für eine enorme Zeitersparnis, da zeitgleich mehrere Kommissionieraufträge erledigt werden können. Es nutzt die Radio-Frequency-Technologie sowie Pick-by-Light Module und eignet sich für Waren aller Art sowie für alle Umschlagshäufigkeiten.
Ein neuartiges Verfahren stellt Pick-by-Vision auf Grundlage der Augmented-Reality-Technologie dar. Hierbei kommt eine Datenbrille zum Einsatz, über die alle Informationen zum Auftrag angezeigt werden und die über eine zusätzliche Spracherkennung verfügt. Sogar die optische Erfassung von Barcodes ist möglich und spart damit den Einsatz von Handscannern. Die Technologie vereint die Vorzüge von Pick-by-Light und Pick-by-Voice. Mitarbeiter sind durch die Brille sehr flexibel und erhalten umfassende Informationen über die Waren, Lagerorte, zu entnehmende Stückzahlen und außerdem Echtzeitinfos aus dem ERP- oder Lagerverwaltungssystem. Die innovative Technik wird bereits erfolgreich angewendet und kann neben Kostenvorteilen in der Anschaffung auch durch eine intuitive Bedienbarkeit und damit einen geringeren Einarbeitungsaufwand punkten.
Vorteile der beleglosen Warenwirtschaft auf einen Blick
Die Vorteile belegloser Kommissionierung liegen im verringerten Arbeitsaufwand, beispielsweise für die separate Datenerfassung, in der Genauigkeit, der einfachen Bedienbarkeit und Wartung der Systeme. In der Regel lassen sich diese leicht in den Arbeitsalltag integrieren und sorgen für effizientere Arbeitsabläufe. Messbar sind vor allem folgende positive Aspekte:
- Die Produktivität in der Kommissionierung wird maßgeblich gesteigert.
- Verwechslungen oder fehlerhafte Eingaben werden vermieden.
- Durch die exakte und fehlerfreie Erfassung entfällt zusätzlicher Aufwand für Kontrollen und Fehlerkorrekturen.
- Prozesse und Warenbewegungen werden dokumentiert und transparent gemacht.
- Aufträge werden schneller bearbeitet und können überwacht werden.
- Kunden erhalten ihre Waren in kürzerer Zeit.
- Lagerplätze und Raumressourcen werden effizienter genutzt.
- Kosten für das Personal können reduziert werden.
Welche Lösungen in der Kommissionierung nun aber letztendlich angewendet werden, hängt wie schon erwähnt von den spezifischen Anforderungen des jeweiligen Unternehmens ab.
Generell lassen sich zum Beispiel folgende Faktoren für die Entscheidung miteinbeziehen: Eine Rolle spielen die Größe und das Gewicht der Güter, die Umschlagshäufigkeit und -geschwindigkeit sowie die Kosten-Nutzen-Relation. Wichtig ist auch eine vorhandene Schnittstelle zum bestehenden Warenwirtschafts- oder ERP-System.
Gerade wenn es um die Kommissionierung großer und hochgewichtiger Güter geht, sind Pick-by-Voice und Pick-by-Vision sinnvoll einsetzbare Technologien. Bei schnell drehenden Gütern, die im Lager oft bewegt werden, bietet Pick-by-Light Vorteile, da diese Technik meist auf kleinerem Raum eingesetzt wird und kürzere Wege mit höherer Kommissionierleistung mit sich bringt. Bezüglich der Anschaffungskosten im Verhältnis zur Leistung, ist Pick-by-Light eine der kostenintensivsten Kommissionierlösungen und nur bei entsprechenden Anforderungen hinsichtlich einer hohen Kommissionierungsrate rentabel. Im Vergleich von Pick-by-Voice, Pick-by-Scan und Pick-by-Vision erzielt Pick-by-Voice eine hohe Leistung, hat aber auch den höchsten Kostenaufwand. Pick-by-Scan liegt im Mittelfeld und Pick-by-Vision stellt die günstigste Variante bei höchster Pick-Leistung dar, da der Bedienaufwand und die Schulungskosten am geringsten sind.